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Heft 2

B-Z! Das ist nett! (Teil 1)

In diesem Arbeitsheft werden alle Konsonanten eingeführt, die sich beim Sprechen gut dehnen lassen. Dazu kommen noch einige Vokale (Zwie- und Umlaute).

Johann Gottfried Herder

Johann Gottfried Herder

Florian Russi

Herder war eine der prägenden Gestalten des Klassischen Weimar. Goethe, der ihn während seiner Straßburger Studentenzeit kennen gelernt hatte, verdankte ihm viele Anregungen und Erkenntnisse zu Sprache und Literatur. Dabei war, wenn man Goethes Lebenserinnerungen¹ folgt, die erste Begegnung eher zufällig:

Das bedeutendste Ereignis, was die wichtigsten Folgen für mich haben sollte, war die Bekanntschaft und die daran sich knüpfende nähere Verbindung mit Herder. Er hatte den Prinzen von Holstein-Eutin, der sich in traurigen Gemütszuständen befand, auf Reisen begleitet und war mit ihm bis Straßburg gekommen. Unsere Sozietät, sobald sie seine Gegenwart vernahm, trug ein großes Verlangen, sich ihm zu nähern, und mir begegnete dieses Glück zuerst ganz unvermutet und zufällig. Ich war nämlich in den Gasthof „Zum Geist" gegangen, ich weiß nicht, welchen bedeutenden Fremden aufzusuchen. Gleich unten an der Treppe fand ich einen Mann, der eben auch hinaufzusteigen im Begriff war und den ich für einen Geistlichen halten konnte. Sein gepudertes Haar war in eine runde Locke aufgesteckt, das schwarze Kleid bezeichnete ihn gleichfalls, mehr noch aber ein langer schwarzer seidener Mantel, dessen Ende er zusammengenommen und in die Tasche gesteckt hatte. Dieses einigermaßen auffallende, aber doch im Ganzen galante und gefällige Wesen, wovon ich schon hatte sprechen hören, ließ mich keineswegs zweifeln, dass es der berühmte Ankömmling sei, und meine Anrede musste ihn sogleich überzeugen, dass ich ihn kenne. Er fragte nach meinem Namen, der ihm von keiner Bedeutung sein konnte; allein meine Offenheit schien ihm zu gefallen, indem er sie mit großer Freundlichkeit erwiderte und, als wir die Treppe hinauf stiegen, sich sogleich zu einer lebhaften Mitteilung bereit finden ließ. Es ist mir entfallen, wen wir damals besuchten; genug, beim Scheiden bat ich mir die Erlaubnis aus, ihn bei sich zu sehen, die er mir denn auch freundlich genug erteilte.

Nachdem Goethe am Weimarer Hof zu Ansehen und Einfluss gekommen war, zog er seinen Mentor nach. Der Herder-Biograph Friedrich Wilhelm Kantzenbach² schreibt darüber:

Am 1. Oktober 1776 zu später Abendstunde kam die Familie Herder in Weimar an. Goethe hatte es sich nicht nehmen lassen, gemeinsam mit Carolines Bruder Siegmund das alte Pfarrhaus hinter der Stadtkirche herzurichten. Dieses Haus hinter der Stadtkirche auf dem Töpfersteige sollte nun Herders Wohnung bis zum Tode im Jahre 1803 bleiben. Kam er mit großen Hoffnungen auf fruchtbare Wirksamkeit, und verlief das erste Jahrzehnt auch noch im Ganzen erfreulich, so stellten sich bei Herder doch schon bald wieder die altbekannten Klagen ein. Anfangs klingen Herders briefliche Mitteilungen an Freunde noch hochgestimmt. Ich bin also jetzt in Weimar, nicht Prediger so schlechtweg, wie Ihr (Lavater) meint, sondern Oberhofprediger, Oberkonsistorial- und Kirchenrat, Generalsuperintendent, Pastor Primarius und zehn Dinge mehr, eben so lange Namen. Hoffe mich aber mit der Zeit recht gut zu stehn und zu finden, der Autorschaft, will‘s Gott, abzusterben und dem Herrn in lebendigen Menschen zu leben, brav zu schaffen und in sieben Fächern umherzuwählen. Bald musste Herder aber erkennen, dass ihm seine Amtstätigkeit nicht leicht gemacht wurde. Vor seinem Kommen war er als Atheist, Freigeist und Schwärmer verschrien worden. Eigentlich jeder Pfarrer des Herzogtums fühlte sich hinter ihm, dem Neuling, zurückgesetzt. Mit seiner einfachen, herzlichen Antrittspredigt gewann er allerdings hohes und niedres Volk, aber er brachte nicht die nötige Geduld auf, sich sein Arbeitsfeld langsam zu erobern. Fünf Jahre lang war seine Stelle unbesetzt gewesen und viel Arbeit war nachzuholen. Im Kirchen- und besonders auch im Schulwesen gab es mehr als genug zu tun, und Herder stöhnte über das Gewirr der Probleme, die gelöst werden mussten.

Herder wurde zum Generalsuperintendenten, später auch zum ersten Pastor an der Stadtkirche St. Peter und Paul (heute auch „Herderkirche" genannt) zum Markthofprediger, Oberkomerzial- und Kirchrat berufen. Er war damit im Herzogtum Weimar und zugleich Chef des gesamten Schulwesens. Gegenüber Goethe kam es zunehmend zu Entfremdungen. Goethe hatte an Selbstbewusstsein gewonnen und war kein Anhänger kirchlicher Institutionen und Herder war gegenüber seinem inzwischen höher und besser gestellten ehemaligen „Schüler" wohl auch eifersüchtig. Im Jahr 1783 näherten sich die beiden wieder einander. Darüber schreibt Prof. Kantzenbach²:

Nun ging er an die Ausarbeitung seines Hauptwerkes, die Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Dieses Werk entstammt der Reife seiner Jahre und es hat Herders Namen gleichrangig neben den der anderen Klassiker gestellt, mochte Herder auch nicht als Dichter, sondern als Denker seinen Beitrag geben. Er wusste, dass ihm die Gabe der Dichtung nur in bescheidenem Umfang gegeben war und versuchte deshalb, die Fülle seiner Kenntnisse auf allen Gebieten für eine Gesamtschau der Philosophie der Geschichte fruchtbar zu machen. Im August 1783 war es wieder zu einem guten Kontakt zwischen Herder und Goethe gekommen, was der Arbeit an den Ideen zugute kam. Herder hat sie in enger Arbeits- und Denkgemeinschaft mit Goethe konzipiert, wenn er sich auch niemals direkt von Goethe abhängig machte. Goethe empfand es selbst als beglückend, dass das Verhältnis zu Herder wiederhergestellt war.


Bei Kantzenbach² finden wir auch folgendes Zeugnis Friedrich Schillers über Herder als Prediger:

Es war weniger eine Rede als ein vernünftiges Gespräch. Ein Satz aus der praktischen Philosophie angewandt auf gewisse Details des bürgerlichen Lebens. Lehren, die man ebenso gut in einer Moschee als in einer christlichen Kirche erwarten könnte. Die ganze Predigt glich einem Discurs, den ein Mensch allein führt, äußerst plan, volks- mäßig, natürlich. Einfach wie sein Inhalt ist auch der Vortrag: keine Gebärdensprache, kein Spiel mit der Stimme, ein ernster und nüchterner Ausdruck. Es ist nicht zu verkennen, dass er sich seiner Würde bewusst ist. Die Voraussetzung dieses allgemeinen Ansehens gibt ihm Sicherheit und gleichsam Bequemlichkeit, das ist augenscheinlich. - - - Herders Predigt hat mir besser als jede andere, die ich in meinem Leben zu hören bekommen habe, gefallen.

Ein Portrait von Florian Russi³ zeigt Schwerpunkte von Herders Leben und Werk:

Zu den wichtigsten Repräsentanten der klassischen Periode in Deutschland gehört der in Mohrungen (Ostpreußen) geborene Johann Gottfried Herder (1744-1803). Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, bildete Herder sich autodidaktisch, indem er vor allem die Pfarrbibliothek nutzte. In Königsberg studierte er Medizin, Theologie und Philosophie. In Straßburg war er Mentor des jungen Studenten Goethe, auf dessen literarisches Schaffen er großen Einfluss hatte.
Herder forderte die Rückbesinnung auf mittelalterliche und volkstümliche Denk- und Ausdrucksweisen in der Literatur. Er war einer der Anreger von „Sturm und Drang" und Romantik. Das klassische Humanitätsideal wurde durch ihn geprägt. 1776 kam er auf Einladung Goethes nach Weimar, wo er zum Generalsuperintendenten berufen wurde. Neben Goethe, Schiller und Wieland zählt er zu den vier „Großen" der Weimarer Klassik. Herder schrieb Erzählungen, Gedichte, Reiseberichte sowie geistes- und sprachwissenschaftliche Abhandlungen, die teilweise von erheblichem Einfluss auf andere europäische Denker waren. Große Bedeutung erlangte vor allem die Schrift „Ideen zur Geschichte der Philosophie der Menschheit". Sehr populär wurde seine 1778/79 erschienene „Volkslieder"-Sammlung.

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¹Johann Wolfgang von Goethe, „Aus meinem Leben - Dichtungs- und Lebensweisheit", In „Goethes Werke", 4. Band, herausgegeben von Paul Stapf, Deutsche Buchgemeinschaft, Berlin und Darmstadt 1956

²Friedrich Wilhelm Kantzenbach, „Johann Gottfried Herder mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten", Rowohlts Monographien, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek b. Hamburg 1970

³Florian Russi, „Worauf wir stolz sein können", 2. Auflage, Bertuch Verlag Weimar 2005

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* Lesen Sie auch den Artikel über Johann Gottfried Herder von Hans Bader 

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